Folgerungen aus dem Eulerschen Polyedersatz
Unter der Valenz einer Ecke
eines Polyeders versteht man die Anzahl
der Kanten (oder auch der Flächen) des Polyeders,
die in dieser Ecke zusammentreffen. Diese Anzahl ist
offensichtlich immer mindestens gleich 3. Bezeichnet
man mit die Anzahl aller Ecken von
und mit
für die Anzahl aller Ecken
der Valenz , so gilt
(1)
Entsprechend versteht man unter der Valenz einer
Fläche eines Polyeders
die Anzahl der Kanten (oder auch der
Ecken) des Polyeders, die auf dem Rand von
liegen. Diese Anzahl ist ebenfalls immer mindestens
gleich 3. Bezeichnet man mit die Anzahl
aller Flächen von und mit
für
die Anzahl aller Flächen der Valenz ,
so gilt
(2)
Ist weiterhin die Anzahl aller Kanten von ,
so gilt
(3)
und
(4)
da jede Kante zu genau zwei Ecken und zu genau zwei Flächen des
Polyeders gehört.
Aus (3) und (1) ergibt sich sofort , also
(5)
und aus (4) und (2) entsprechend
(6)
Es sei nun ein Polyeder, in dem der Eulersche Polyedersatz
(7)
gilt, was insbesondere für jedes
konvexe Polyeder der Fall ist. Wegen
bzw. erhält
man dann aus (5) und (6) weiter und
, also über (6) und (5) hinaus
(8)
und
(9)
Aus (7) ergibt sich unmittelbar
(7')
und hieraus mit (5) und (6) weiter
und , also
und Nach Multiplikation mit 2 kann man
diese beiden Ungleichungen kombinieren zu
(10)
und
(11)
Mit Hilfe dieser allgemeinen Beziehungen zwischen
und lassen sich nun weitere spezielle Aussagen
beweisen. Setzt man etwa (1), (2) und (3) in (7') ein, so erhält man
(12)
2(f3 + f4 + ...) - (e3 +
2e4 + 3e5 + ...) = 4
und analog aus (1), (2), (4) und (7')
(12')
2(e3 + e4 + ...) - (f3 +
2f4 + 3f5 + ...) = 4.
Addition von (12) und (12') liefert f3 -
f5 - 2f6 - ... + e3 -
e5 - 2e6 - ... = 8 oder
(13)
e3 + f3 = 8 + (e5 +
f5) + 2(e6 + f6) + ...
Multipliziert man (12) mit 2 und addiert dies zu (12'), so ergibt sich
(14)
3f3 + 2f4 + f5 - f7
- 2f8 - ... = 12 + 2(e4 +
2e5 + 3e6 + ...) .
Multipliziert man (12') mit 2 und addiert dies zu (12), so ergibt sich
analog
(14')
3e3 + 2e4 + e5 - e7
- 2e8 - ... = 12 + 2(f4 +
2f5 + 3f6 + ...) .
Multipliziert man (12) mit 3 und (12') mit 2 und addiert man die Ergebnisse,
so erhält man
(15)
4f3 + 2f4 + e3 = 20 +
2 f6 + ... + 2e4 + 5e5 + ...
und durch Vertauschung der Rollen von (12) und (12')
(15')
4e3 + 2e4 + f3 = 20 +
2e6 + ... + 2f4 + 5f5 + ...
Durch geeignete Kombinationen der Gleichungen (12) und (12')
lassen sich also Gleichungen herstellen, in denen jeweils ein
vorgegebener Koeffizient en bzw.
fn nicht mehr auftritt. Aus solchen
Gleichungen lassen sich dann spezielle Einschränkungen
für Polyeder P herleiten, die dem Eulerschen
Polyedersatz genügen. Einige dieser Bedingungen sind im
folgenden Satz zusammengefaßt.
Satz: Es sei P ein Polyeder, in dem (7)
gilt.
1. Es ist e3 + f3 >= 8.
Hat insbesondere keine Fläche und keine Kante eine Valenz
größer als 4, so gilt sogar e3 +
f3 = 8.
2. Aus f4 = f5 = 0
folgt f3 >= 4.
3. Aus f3 = f5 = 0
folgt f4 >= 6.
4. Aus f3 = f4 = 0
folgt f5 >= 12.
5. Aus e4 = e5 = 0
folgt e3 >= 4.
6. Aus e3 = e5 = 0
folgt e4 >= 6.
7. Aus e3 = e4 = 0
folgt e5 >= 12.
Beweis: 1. folgt unmittelbar aus (13).
2. Aus (14) folgt mit f4 = f5 = 0
sofort 3f3 >= 12, also f3
>= 4.
3. und 4. folgen wie 2. aus (14).
5. - 7. folgen analog aus (14').
Andererseits kann man die oben hergeleiteten Bedingungen auch zur
Bestimmung sämtlicher derartiger Polyeder P
mit kleiner Kantenzahl k benutzen:
Aus (8) folgt jedenfalls 6 <= k..
Für k = 6 ergeben (8) und (9) direkt f = 4
und e = 4, also ein beliebiges Tetraeder.
Für k = 7 ergibt (8) die unerfüllbare
Bedingung 13 <= 3f <= 14.
Für k = 8 erhält man aus (8) und (9)
die Bedingungen 14 <= 3f <= 16 und 14
<= 3e <= 16, was auf f = 5 und e = 5
und daher f3 <= 5 sowie
e3 <= 5 führt.
Nun ergibt e3 = 5 mit (3)
aber die unmögliche Bedingung 16 = 15 + 4e4
+.... Ebenso führt f3 = 5
mit (4) auf einen Widerspruch. Wegen 1. bleibt
daher nur e3 = 4 und
f3 = 4. Dann liefern (3) und (4) aber
sofort e4 = 1 und
f4 = 1, während alle anderen
Valenzen verschwinden. Es handelt sich bei P
also um eine beliebige vierseitige Pyramide.
Für k = 9 erhält man aus (8) und (9)
die Bedingungen 15 <= 3f <= 18 und
15 <= 3e <= 18. Wegen e + f = 11
nach (2) ist dies nur für e = 5 und
f = 6 sowie e = 6 und
f = 5 möglich. Insbesondere gilt also
e3 <= 6 und f3 <= 6.
, was mit 1. auch e3 >= 2
und f3 >= 2 impliziert. Durch
detaillierte Untersuchung der verbleibenden Fälle lassen
sich alle bis auf e3 = 2, e4 = 3,
f3 = 6 und e3 = 6,
f3 = 2, f4 = 3. Der erste Fall
führt auf eine
dreiseitige Dipyramide, der zweite auf ein
dreiseitiges Prisma.